Bundesgerichtshof Entscheidungen

Mietminderung auch bei zu geringer Wohnfläche einer möbliert vermieteten Wohnung - VIII ZR 209/10 -


Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im März 2011 eine Entscheidung zur Mietminderung wegen Flächenunterschreitung von mehr als 10 % bei einer möbliert vermieteten Wohnung getroffen.


Der Kläger ist seit 2006 Mieter einer vollständig möblierten und mit umfassendem Hausrat eingerichteten Wohnung des Beklagten in Berlin. Die monatlich zu zahlende Kaltmiete beträgt 560 €, hinzu kommen ein Heizkostenvorschuss von 15 € und ein Stromkostenvorschuss von 25 €. Im Mietvertrag wurde die Größe der Wohnung mit ca. 50 m² angegeben. Die tatsächliche Wohnfläche beträgt jedoch nur 44,3 m². Der Kläger (Mieter) hält wegen der Flächenabweichung von 11,5 % eine Minderung der Kaltmiete in entsprechender Höhe für berechtigt und forderte mit Schreiben von Mai 2009 eine teilweise Rückzahlung des Mietzinses für die gesamte Mietzeit in Höhe von 1.964,20 €. Der Beklagte (Vermieter) meint, in der Kaltmiete sei die Möblierung der Wohnung berücksichtigt worden; deshalb sei die Miete nur um insgesamt 736,58 € gemindert. Diesen Betrag hat er dem Kläger (Mieter) erstattet.


Mit seiner Klage hat der Kläger (Mieter) den Beklagten (Vermieter) auf Zahlung des Differenzbetrages in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 288,22 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers (Mieters) zurückgewiesen.


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Die dagegen gerichtete Revision des Klägers (Mieters) hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mangel in Form einer Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche von mehr als 10 % den Mieter auch bei möbliert vermieteten Wohnungen zu einer Minderung der Miete in dem Verhältnis berechtigt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet. Die von einer Wohnflächenunterschreitung ausgehende Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des vermieteten Wohnraums ist nicht deshalb geringer zu veranschlagen, weil die für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände trotz der geringeren Wohnfläche vollständig in der Wohnung untergebracht werden können.


BGH, Urteil vom 2. März 2011

– VIII ZR 209/10 –

Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 35/2011


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Langfassung der Entscheidung:

BGB § 536 Abs. 1 Satz 2

Auch wenn eine Wohnung möbliert vermietet ist, ist die Bruttomiete bei einer Wohnflächenabweichung um mehr als 10 % gegenüber der vereinbarten Wohnfläche im Verhältnis der Wohnflächenabweichung gemindert.


Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 2010 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 17. Dezember 2009 abgeändert, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 939,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen


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Sachverhalt (Tatbestand):

Der Kläger ist seit Oktober 2006 Mieter einer möblierten Wohnung des Beklagten (Vermieter) in B. . In dem Mietvertrag vom 11. Oktober 2006 ist die Wohnungsgröße mit 50 qm angegeben; weiter vereinbarten die Parteien eine monatliche Kaltmiete von 560 € sowie pauschalierte Nebenkostenvorauszahlungen für Heizung (15 €) und Strom (25 €). In § 3 Nr. 1 des Mietvertrages ist unter anderem bestimmt, dass sich die Kaltmiete aus einer Kapitalverzinsung, Abschreibung der Möbel, Betriebskosten und Reparaturkosten am Haus und der Wohnung zusammensetzt.


Die tatsächliche Wohnfläche der Wohnung des Klägers (Mieters) beträgt 44,30 qm. Wegen der Flächenabweichung von 11,5 % zu der im Mietvertrag angegebenen Wohnungsgröße ist der Kläger (Mieter) der Auffassung, dass die Kaltmiete um 11,5 % gemindert sei und ihm für die vergangene Mietzeit vom 15. Oktober 2006 bis 30. April 2009 (= 30,5 Monate) ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.964,20 € zustehe; in dieser Höhe habe wegen der Wohnflächenabweichung kein Rechtsgrund für eine Mietzahlung bestanden. Der Beklagte (Vermieter) zahlte vorprozessual 736,58 € an den Kläger (Mieter). Mit seiner Klage macht der Kläger (Mieter) den Differenzbetrag von 1.227,62 € nebst Zinsen geltend.


Das Amtsgericht hat den Beklagten (Vermieter) zur Zahlung von 288,22 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers (Mieters) hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger (Mieter) sein Zahlungsbegehren weiter.


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Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die an den Kläger (Mieter) vermietete Wohnung weise einen Mangel auf, da die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % abweiche. Damit stehe dem Kläger (Mieter) grundsätzlich nach § 536 BGB ein Minderungsanspruch zu; die für den streitgegenständlichen Zeitraum 15. Oktober 2006 bis 30. April 2009 aufgrund des Mangels der Mietsache überzahlte Miete könne nach § 812 BGB zurückgefordert werden. Bemessungsgrundlage der Minderung sei die vereinbarte monatliche Kaltmiete in Höhe von 560 € zuzüglich der Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 15 €, insgesamt 575 €. Zwar sei bei der Bemessung des Minderungsanspruchs nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich von der Bruttomiete auszugehen. Die nach dem Mietvertrag im Voraus zu zahlende Stromkostenpauschale in Höhe von 25 € gehöre jedoch hierzu nicht, da diese Kosten nicht zu den Betriebskosten in Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung zu zählen seien. Die Stromkosten fielen nicht typischerweise beim Vermieter, sondern beim Mieter an.


Die damit dem Minderungsanspruch zugrunde zu legende monatliche Bruttomiete in Höhe von 575 € sei vorliegend nicht um den Prozentsatz der Wohnflächenabweichung (11,5 %), sondern - der vom Amtsgericht angenommenen Minderungsquote von 6 % folgend - unter Berücksichtigung der Heizkostenpauschale nur um 5,8 % zu mindern. Bei der vollständig möblierten und auch im Übrigen vollständig mit Hausrat eingerichteten Wohnung sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer erheblichen Wohnflächenabweichung nicht identisch mit dem Maß der Wohnflächenabweichung, weil die vollständige Möblierung und Einrichtung einen wesentlichen Teil der Mietsachgesamtheit ausmache. Der Gebrauchswert beziehungsweise die Nutzungsmöglichkeit sei angesichts der Einrichtung nicht so erheblich beeinträchtigt wie bei einer leer vermieteten Wohnung, in der die geringere Wohnfläche auch die Einrichtungsmöglichkeiten beschränken könne und die Bewegungsfläche erheblich gemindert sein könne. Der Vortrag des Klägers (Mieters), dass die Möblierung und Einrichtung seit Mietbeginn bereits erheblichem Verschleiß unterlegen sei, ändere nichts an dem vertragsgemäßen Zustand. Denn maßgeblich für die Mietminderung sei der Gebrauchswert der Mietsache, nicht ihr finanzieller Wert. Auch ältere Einrichtungsgegenstände könnten einen erheblichen Gebrauchswert haben. Davon sei auch im Streitfall auszugehen, denn der Beklagte (Vermieter) habe nicht behauptet, dass Einrichtungsgegenstände nicht mehr zu nutzen seien oder ihre Nutzung durch die Flächenunterschreitung erheblich eingeschränkt sei.


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II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen steht dem Kläger (Mieter) für den streitgegenständlichen Zeitraum 15. Oktober 2006 bis 30. April 2006 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Rückforderungsanspruch in der eingeklagten Höhe von 1.227,62 € zu, da die vom Kläger (Mieter) geschuldete Miete über die vorprozessual gezahlten 736,58 € hinaus jedenfalls in dieser Höhe gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB gemindert war.


1. Nach der Rechtsprechung des Senats - von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht - stellt die Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % einen Mangel der Mietsache dar, der den Mieter gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Minderung der Miete in dem Verhältnis berechtigt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet (Senatsurteile vom 10. März 2010 - VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 Rn. 8, 11 f.; vom 10. November 2010 - VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220 Rn. 14; jeweils mwN).


So liegen die Dinge nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Streitfall, denn die tatsächliche Wohnfläche weicht von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche um 11,5 % ab; in dieser Höhe war daher die vertraglich geschuldete Bruttomiete gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB gemindert. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Minderung nicht etwa deshalb geringer, weil die an den Kläger (Mieter) vermietete Wohnung möbliert ist. Der Auffassung des Berufungsgerichts, bei einer vollständig möblierten und auch im Übrigen vollständig mit Hausrat eingerichteten Wohnung sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer erheblichen Wohnflächenabweichung nicht mit dem Maß der Wohnflächenabweichung identisch, vermag der Senat nicht zu folgen. Die von einer Wohnflächenabweichung ausgehende Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ist nicht deshalb geringer zu veranschlagen, weil trotz der geringeren Fläche die für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände vollständig untergebracht werden können.


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2. Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Bruttomiete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten (Senatsurteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773 unter II 1 a). Daran ändert die Möblierung der Wohnung im Streitfall nichts, denn der Mietwert der Wohnungseinrichtung ist ausweislich § 3 Nr. 1 des Mietvertrags der Parteien vom 11. Oktober 2005 Teil der Kalkulation der Nettokaltmiete gewesen. Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn im Mietvertrag der Tatsache der Möblierung ein gegenüber den übrigen Mietkonditionen eigenständiges Gewicht - etwa durch die Vereinbarung eines Möblierungszuschlags - verliehen wird, bedarf hier keiner Entscheidung.


Ob - wie es das Berufungsgericht annimmt - die Stromkostenvorauszahlung zur Bruttomiete zu zählen ist, kann im Streitfall offen bleiben, da der Kläger (Mieter) seine Rückzahlungsforderung auf Basis der Nettokaltmiete errechnet hat. Bei einem geltend gemachten Minderungszeitraum vom 15. Oktober 2006 bis 30. April 2009 (= 30,5 Monate) errechnet sich daher unter Zugrundelegung der Nettokaltmiete ein Minderungsanspruch von 1.964,20 €.


III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wie dargestellt, steht dem Kläger (Mieter) für den streitgegenständlichen Zeitraum ein (weiterer) aufgrund der Minderung gerechtfertigter Rückzahlungsanspruch jedenfalls in Höhe von 939,40 € zu. Der Klage ist daher in vollem Umfang stattzugeben.


BGH, Urteil vom 2. März 2011

- VIII ZR 209/10 -


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